Der Bundesgerichtshof (3 StR 518/19) konnte klarstellen, dass mitgebrachte Ausdrucke einer ansonsten nur digital vorhandenen E-Mail präsente Beweismittel im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO darstellen. Die Entscheidung ist wegweisend – zeigt aber auch, womit man sich bei Landgerichten immer noch als Verteidiger herumärgern muss.
Hintergrund ist die Frage, ob man das „Original“ überreichen muss oder ein vorgelegter Ausdruck genügt. Der BGH stellt insoweit klar, dass zur Verlesung bestimmte ausgedruckte Mails originär elektronischer Natur sind. Ein entsprechender Beweisantrag bezieht sich dann auf die Verlesung einer originär ausschließlich digital vorhandenen E-Mail.
Eine Mail kann als elektronische Urkunde im Sinne der StPO gewertet werden, muss aber in einem solchen Fall dem Landgericht nicht ebenfalls elektronisch übermittelt werden. Es reicht mit dem BGH vielmehr aus, dass entsprechende Ausdrucke in Papierform übergeben werden. Denn: anders als bei der Mehrfertigung einer gegenständlichen Urkunde, die von einem Original unterschieden werden kann, ist die Vorlage eines originär ausschließlich digital erstellten und gespeicherten Gedankeninhalts als körperliche Originalurkunde von vorneherein unmöglich.
So führt der BGH dann weiter aus, dass die in der Hauptverhandlung überreichten Ausdrucke von E-Mail-Anhänge präsente Beweismittel im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO darstellen. Soweit in der Rechtsprechung des BGH entschieden wurde, dass der Ablichtung einer Urkunde nicht die Qualität eines präsenten Beweismittels im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO zukommen soll (siehe im Kasten unten) ist dies ausdrücklich nicht auf den Fall zu übertragen, in dem sich der Beweisantrag auf die Verlesung des Ausdrucks einer ansonsten nur digital vorhandenen E-Mail bezieht.
BGH: Kopie kein präsentes Beweismittel
Die wesentliche Entscheidung des BGH (3 StR 646/93) führte seinerzeit hierzu aus: „Fotokopien von Urkunden sind zum Nachweis der Existenz und des Inhalts der Originalurkunde keine präsenten Beweismittel i.S.d. § 245 Abs. 2 StPO, da die Übereinstimmung mit dem Original Voraussetzung ihrer Verwertbarkeit ist; diese ist im Strengbeweisverfahren festzustellen (vgl.Senatsbeschluß vom 1. September 1993 – 3 StR 412/93; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl. S. 248; Mayr in KK 3. Aufl. StPO § 249 Rdn. 12; Schlüchter in SK – StPO § 249 Rdn. 36).“
Die Rechtsprechung mag man sehr kritisch sehen (so schon BGH, 4 StR 355/15), da sie weder dogmatisch fundiert noch praxisnah ist. Vielmehr ist es wiedermals eine weitere Brücke für die Gerichte, die keine Lust haben der Verteidigung zuzuhören.
So führt der 3. Senat dann fundiert und nachvollziehbar aus, dass der Gesetzgeber gerade keine besonderen Hürden für elektronische Dokumente schaffen wollte:
Um dem Gericht einen solchen Gedankeninhalt unmittelbar zur Verwertung zur Verfügung zu stellen, bedürfte es der gebrauchsfähigen Übermittlung der elektronischen Daten. Dass ein Beweisantragsteller nach Wirksamwerden der Neuregelung des § 249 Abs. 1 Satz 2 StPO ausschließlich auf diesen Weg verwiesen sein soll, ist dem Gesetz und seiner Begründung nicht zu entnehmen.
Der Gesetzgeber hat insoweit die unmittelbare Verlesung elektronischer Dokumente zusätzlich ermöglichen, nicht aber ausschließlich dazu verpflichten wollen (vgl. BT-Drucks. 18/9416 S. 33, 62 f.). Außerdem betrifft der etwaige Klärungsbedarf hinsichtlich inhaltlicher Authentizität und Belastbarkeit eher die gerichtliche Überzeugungsbildung und Aufklärungspflicht als die Beweismitteleigenschaft (vgl. LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 245 Rn. 49).
BGH, 3 StR 518/19
Die Crux liegt doch woanders: Da beantragen Verteidiger die Verlesung eines zuvor per E-Mail übersandten und nunmehr ausgedruckten Memorandums einer kolumbianischen Rechtsanwaltskanzlei – und das Gericht weigert sich, produziert lieber einen Verfahrensfehler, als kurzerhand schlicht vorzulesen, was der Verteidigung wichtig ist. Gerade bei Landgerichten ist das ein Standard-Szenario, das auch Zuschauer überrascht zurücklässt, wenn man feststellt, dass so manche Kammer gar keine Lust an Sachverhaltsaufklärung hat und lieber eine Stunde diskutiert als 5 Minuten verliest.
Jens Ferner
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