Blackbox im PKW und strafrechtliche Ermittlungen

Die Blackbos im PKW kommt: Ein PKW ist ein wahrer Datenschatz, auch für Ermittler. Mit dem 6. Juli 2022 kommt ein neues besonderes Detail dazu: die „Blackbox“, die ab dann in allen neuen Fahrzeugen vorhanden sein muss. Strafrechtliche Ermittlungen werden damit nicht nur, aber speziell bei verkehrsbezogenen Delikten ganz neue Wege gehen können.

Blackbox im PKW

Hintergrund ist Artikel 6 der EU-Verordnung 2019/2144, die ab dem 6. Juni 2022 gilt. Mit dieser muss zukünftig in jedem Pkw ein so genannter „ereignisbezogener Datenspeicher“ eingebaut sein. Dieser Speicher, im Volksmund auch „Blackbox“ wie im Flugzeug genannt, erfasst anonymisierte Fahrdaten des Fahrzeugs bei einem Unfall. So ist diese Aufzeichnung in Art. 3 (13) der Verordnung definiert:

„Ereignisbezogene Datenaufzeichnung“ bezeichnet ein System, das ausschließlich dem Zweck dient, kritische
unfallbezogene Parameter und Informationen kurz vor, während und unmittelbar nach einem Aufprall
aufzuzeichnen und zu speichern.

Diese Datenerfassung kann vom Fahrer nicht ausgeschaltet werden, erfolgt im Rahmen eines geschlossenen Systems, wobei die gesammelten Daten anonymisiert werden; aus sich heraus muss dabei mit den gesammelten Daten die Identifizierung des genauen Fahrzeugtyps, der Version und der Variante und
insbesondere der im Fahrzeug eingebauten aktiven Sicherheits- und Unfallvermeidungssysteme ermöglicht sein.

Was speichert die Blackbox?

Mit Art.6 (4) der Verordnung werden die Daten gesammelt, die im Zeitraum kurz vor, während und unmittelbar nach einem Zusammenstoß anfallen, zwingend sind dabei zu erfassen:

  • Fahrzeuggeschwindigkeit,
  • Abbremsen,
  • Position und Neigung des Fahrzeugs auf der Straße,
  • Zustand und Grad der Aktivierung aller Sicherheitssysteme an Bord,
  • das auf dem 112-Notruf basierende bordeigene eCall-System,
  • Aktivierung der Bremsen sowie sonstige relevante Eingabeparameter für die bordseitigen aktiven Sicherheits- und Unfallvermeidungssysteme

Es findet sich also eine recht umfassende Datenmenge, die erhebliche Rückschlüsse auf das Fahrverhalten und natürlich auch eventuelle Fahrfehler zulässt. Offen bleibt dabei, was im Rahmen des eCall-Systems erhoben wird, ich gehe davon aus, dass es hier um die in Artikel 6 (9) der EU-Verordnung 2015/758 beschriebenen Daten geht.

Weiterer Speicherumfang in der Blackbox

Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie sich aus der Verwendung von „insbesondere“ ergibt, je nach Hersteller können also auch weitere Daten erfasst werden. Dabei bieten sich durchaus diverse Datenquellen an:

  • So sind Warnsysteme bei Müdigkeit und nachlassender Aufmerksamkeit ebenfalls zwingend, die den Fahrer beobachten, einschätzen und warnen sollen wenn die Konzentration nachlässt;
  • Intelligente Geschwindigkeitsassistenten sind zwingend, mit dem Ziel, dass der Fahrer über den Beschleunigungsregler oder über gezielte, angemessene und wirksame Rückmeldungen darauf aufmerksam gemacht wird, dass die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung überschritten wird; diese können deaktiviert werden (was dann ebenfalls gespeichert werden kann)

Es dürfte naheliegend sein, diese Daten zu erfassen (?)

Zugriff der Ermittler auf diese Daten

In Artikel 6 (4) d der Verordnung wird etwas verklausuliert erklärt, wem diese Daten der Blackbox zur Verfügung gestellt werden dürfen:

(…) den nationalen Behörden auf der Grundlage des Unionsrechts oder des nationalen Rechts im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 ausschließlich für den Zweck der Unfallforschung und ‐analyse, einschließlich für die Zwecke der Typgenehmigung von Systemen und Bauteilen, über eine
Standardschnittstelle (…)

Das klingt auf den ersten Blick so, als ob nur für statistische Zwecke der Zugriff möglich wäre. Unter die „Unfallanalyse“ dürfte aber zwanglos der Zugriff von Ermittlern fallen, sofern diese die Umstände eines „plötzlichen Ereignisses im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“ (so die bekannte, hergebrachte Definition des Unfall) klären möchten. Der Anwendungsbereich dürfte entsprechend weit reichen.

Spannender wird es mit der Rechtsgrundlage für einen Zugriff, man könnte hier an §63a Abs.2 S.1 StVG denken, der für (Teil-)Automatisiertes Fahrverhalten ausdrücklich klärt

Die gemäß Absatz 1 gespeicherten Daten dürfen den nach Landesrecht für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden auf deren Verlangen übermittelt werden.

Losgelöst davon, ob überhaupt ein KFZ im Sinne des §63a StVG vorliegt, wird man in dieser Regelung nur eine Erlaubnis der Übermittlung, aber keine Ermächtigungsgrundlage des Zugriffs erkennen, wie der Gesetzgeber selber seinerzeit klarstellte:

Mit der Regelung „Die gemäß Absatz 1 gespeicherten Daten dürfen den nach Landesrecht für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden auf deren Verlangen übermittelt werden.“ wird Satz 1 als Befugnisnorm hinsichtlich der Übermittlung ausgestaltet. Die Erhebungsbefugnis der jeweils zuständigen Behörde bei Verkehrsverstößen ergibt sich aus der Strafprozessordnung (StPO) bzw. dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), das auf die StPO verweist.

BT-Drucksache 18/11776, Seite 11

Der Zugriff wird damit nach den Standard-Regelungen der §§94ff. StPO erfolgen, wobei ich die Auffassung vertrete, dass eine vollständige Beschlagnahme des PKW, alleine um an die Daten zu gelangen, nicht verhältnismässig sein wird. Man wird im Rahmen einer Durchsuchung (§§102, 103 StPO) Zugriff nehmen und Datenkopien anfertigen müssen. Eine Sicherstellung bzw. Beschlagnahme des PKW wäre aus meiner Sicht abwegig, da der Fahrzeuginhaber nicht realistisch Daten wird löschen oder verändern können, da es sich um geschlossene Systeme handelt. Anders, wenn der PKW als Tatwerkzeug oder Eiziehungsobjekt in Betracht kommt.

Sicherlich nicht hilfreich wird es sein, dass die „Generalklauseln“ der StPO zum Tragen kommen, das Bedürfnis der Ermittler, auf Daten zuzugreifen auch, ohne dass es zu einem Aufprall gekommen ist. Schon jetzt ist absehbar, dass mit Blick auf Teilnehmer illegaler Autorennen, wo naturgemäß nicht jeder Fahrer einen Aufprall erleidet, eine Erweiterung der Speicherung verlangt werden wird. Gerade nachdem der BGH hier erhöhte Beweisschwellen bei der Kausalität gesetzt hat, dürfte es nicht lange dauern, bis abruptes Abbremsen und häufige Spurwechsel in kurzer Zeit als weitere Speicherszenarien thematisiert werden.

Fazit

Die Digitalisierung des Alltags schreitet voran, gerade bei PKW ist eine umfangreiche Datenerfassung zu erwarten, die in mittelfristiger Zukunft noch weit über das hinausgeht, was derzeit im Gesetz zu finden ist. Spiegelbildlich werden Ermittler auf alles zugreifen wollen, was vorhanden ist – die Blackbox wird, gerade mit Blick auf Todesfälle im Straßenverkehr, relativ schnell zum Standard-Tool der Ermittler mutieren und der Ruf nach umfangreicherer Speicherung ebenso größer werden, wie der Ruf nach noch mehr Anlässen, zu denen gespeichert werden soll, alleine beim Unfall wird es sicher nicht verbleiben.

Rechtsanwalt Jens Ferner (IT-Fachanwalt & Strafverteidiger)
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