Einziehung von Hardware bei Cybercrime

In IT-Strafsachen spielt die Einziehung von Hardware eine herausragende Rolle – die Staatsanwaltschaften und Gerichte sind hier häufig sehr interessiert, entsprechende Hardware dem Betroffenen zu entziehen; nicht selten hat man dabei das Gefühl, dass auf dem Weg noch eine zusätzliche Strafwirkung erzielt werden soll. Dabei sieht das Gesetz vor, dass gerade Werkzeuge der Tat aber eben auch gezogene Früchte der Tat zwingend einzuziehen sind. 

Tatsächlich aber ist die Einziehung keineswegs ohne weiteres möglich, insbesondere ist regelmäßig die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Da geht es dann darum, um nicht eine (teilweise) Löschung ausreicht oder ob man aus einem PC nicht lediglich die Festplatte ausbauen kann.

Dazu bei uns: Einziehung im Strafverfahren

Einziehung von Festplatten

Eine Einziehung der Festplatten kommt grundsätzlich in Betracht: Denn es handelt sich bei den Datenträgern um Gegenstände deren Einziehung auch als Beziehungsgegenstände der Tat anzuordnen ist. (BGH, 2 StR 501/08). Auch nach der Reform des Einziehungsrechts gilt mit dem BGH, bei einer Speicherung verbotener Daten die Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzuziehen sind.

Wurde etwa Besitz durch Abspeichern von Bild- und Videodateien auf einem Computer ausgeübt oder auch lokal rechtswidrig generierte Bitcoins abgespeichert, unterliegt insoweit dann (lediglich) die als Speichermedium verwendete Festplatte der zwingenden Einziehung – und eben nicht der gesamte Computer (BGH, 6 StR 87/20).

Hinweis: Dies gilt auch im Bereich inkriminierter Bilder. Nach §184b Abs. 6 Satz 1 StGB sind zwar die Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzuziehen, also auch etwa das Notebook, das zum Speichern der inkriminierten Bilder verwendet wurde. Beziehungsgegenstand im Sinne der Einziehungsvorschrift ist indes dann nie der gesamte Laptop, sondern ausschliesslich die in ihm verbaute und zur Bildspeicherung genutzte Festplatte (so ausdrücklich BGH 2 StR 448/19 unter Verweis auf 5 StR 65/18).

Beispielhaft führt der BGH hierzu aus:

Es ist zu besorgen, dass das Landgericht verkannt hat, dass Beziehungsgegenstände im Sinne des § 184b Abs. 6 Satz 1 StGB nicht das (gesamte) Mobiltelefon und der (gesamte) Laptop sind, sondern nur die in ihnen verbauten und zur Bildspeicherung genutzten Speichermedien (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2020 – 2 StR 448/19; vom 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18).

Sollte der neue Tatrichter wiederum die Einziehung der Geräte erwägen, wird er zu prüfen haben, ob es technisch möglich ist, die Fotos in einer
Weise zu löschen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können. Sowohl für die Anordnung gemäß § 184b Abs. 6 Satz 1 StGB als auch für eine solche nach § 74 Abs. 1 StGB gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 74f StGB), so dass gegebenenfalls von den Möglichkeiten des § 74f Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht werden muss. Danach können Einziehungen zunächst vorbehalten bleiben und weniger einschneidende Maßnahmen anzuordnen sein, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann. Dies kann bei einer Speicherung von Bilddateien durch deren endgültige Löschung geschehen (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18).

BGH, 4 StR 1/21

Einziehung des Computers

Der Computer als solcher nebst Zubehör unterliegt wenn, dann als Tatwerkzeug der Einziehung nach den §§ 74ff StGB (BGH, 4 StR 612/11). Hierbei ist jedoch der Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu beachten (BGH, 4 StR 657/11) und nach neuem Einziehungsrecht daran zu denken, dass die Einziehung des für den Speichervorgang verwendeten Computers nebst Zubehör nur entsprechend § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB im Rahmen einer Ermessensentscheidung erfolgen kann (BGH, 6 StR 87/20).

Zu beachten ist dabei zwingend die Vorschrift des § 74f StGB (BGH, 4 StR 657/11 zu damals §74b StGB). Danach hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung (lediglich) vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. Dies ist zwingend zu berücksichtigen! (BGH, 2 StR 501/08).


Löschung der Datei hat Vorrang vor Einziehung

Im Ergebnis ist damit im Einzelfall zu prüfen, ob nicht alleine eine Löschung der Datei in Betracht kommt (BGH, 4 StR 657/11). In diesem Fall wäre die Einziehung nur unter Vorbehalt zu stellen, nämlich unter den, dass die Datei gelöscht wird und sichergestellt ist, dass sie nicht wiederhergestellt wird (BGH, 4 StR 657/11). Es müssen also zwingend Feststellungen dazu getroffen werden, ob es technisch möglich ist, die Dateien in einer Weise von der Festplatte zu löschen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können (BGH, 5 StR 65/18 und 2 StR 448/19).

Sollte die Wiederherstellung nicht ausgeschlossen werden können, bleibt die Einziehung des Computers insgesamt bis zum Nachweis der Unbrauchbarmachung der Festplatte vorbehalten. (BGH, 4 StR 612/11). Dabei ist aus technischer Sicht durchaus kritisch zu sehen, wie eine Wiederherstellung zwingend immer möglich sein soll, zumal es abschliessend sichere Löschmethoden gibt.

Gleichwohl gab es einen solchen Fall beim BGH (BGH, 6 StR 87/20), wo ausdrücklich festgestellt sein sollte, dass ein Wiederherstellen der betreffenden Dateien nie auszuschliessen sei („Eine technische Möglichkeit, die verfahrensgegenständlichen Bild- und Videodateien von den Festplatten zu löschen, so dass deren Wiederherstellung unmöglich ist, ist nicht ersichtlich.“). Diese Rechtsprechung hat nach Revision von mir beim 2. Senat glücklicherweise keinen Anklang gefunden.

Der BGH (BGH 4 StR 128/14) führte im Übrigen in einem Fall der Einziehung eines Laptops aus:

Da eine Rückgabe des Laptops mit den betreffenden Videodateien an den Angeklagten nicht in Betracht kommt, hätte hier geprüft werden müssen, welche Dateien auf der Festplatte des Laptops im Einzelnen die Videoaufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch möglich ist. Stünde damit ein milderes geeignetes Mittel als die sonst gebotene (vorbehaltlose) Einziehung zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten, ob er die Anordnung befolgt und dadurch die Einziehung abwendet oder nicht. Ein Ermessen, etwa hinsichtlich der anfallenden Kosten für die Löschung im Verhältnis zum Wert des Compu- ters, ist dem Tatrichter bei dieser Entscheidung schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht eröffnet (…)

Die obige Rechtsprechung ist erst einmal deutlich, muss aber für einen Sonderfall anders beleuchtet werden: Wenn – wie in modernen MacBooks – der (SSD-)Massenspeicher untrennbar mit dem Rechner verbunden ist, wird man die Einziehung des gesamten Rechners auf diesem Wege annehmen, sofern eine sichere Löschung nicht im Raum steht. Das Risiko ist hier also erheblich.

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Jens Ferner

Strafverteidiger

Einziehung bei Hacking

Die bisherigen Ausführungen lassen sich auch auf Fälle des Hackings übertragen, die Rechner samt Speichermedien (auf denen sich Datensätze und Software befinden) sind letztlich Tatwerkzeuge und entsprechend §§74ff. StGB nur nach einer Ermessensentscheidung samt Verhältnismäßigkeitsprüfung einzuziehen.

Aber: Einziehung statt Löschung bei Misssverhältnis

Dass eine Einziehung trotz erheblicher Mängel Bestand haben kann darf nicht überraschen. Wenn etwa eine Strafkammer das ihr zustehende Ermessen zwar nicht ausdrücklich ausgeübt und auch keine ausdrückliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen hat, ist der BGH bereit das zu „reparieren“. Hier reicht es schon, wenn die Erwägungen der vorher befassten Kammer eine Ausübung von Ermessen und auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit „erkennen lassen“, etwa wenn sie sich damit befasst hat, inwieweit der Angeklagte die Geräte erworben hatte und zum Aufsuchen und Speichern nutzte bzw. die Geräte zur Nutzung an andere Familienmitglieder weitergegeben hat sowie wenn zum Wert der Geräte Feststellungen getroffen wurden. Damit kann man dann rückschließen:

Eine weniger einschneidende Maßnahme in Form einer nochmaligen und endgültigen Löschung der Daten kam mit Blick auf den geringen Wert und das Alter der Geräte nicht in Betracht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18 Rn. 10).

BGH, 1 StR 249/21

Dass dabei manche Senate des BGH bis heute die Mär von hohen Kosten bei sicherer Löschung aufgreifen ist für Techniker nicht nachvollziehbar, ich habe bereits in einem Verfahren nachgewiesen, dass dies schlich Quatsch ist.

Fazit zur Einziehung in IT-Strafsachen

Eine Einziehung des gesamten Rechners als Tatwerkzeug kommt bei IT-Delikten nur in Frage, wenn nicht eine weniger einschneidende Maßnahme zur Verfügung steht – oder wenn der fest verbaute Speicher mit dem Rechner eine Einheit Bilder.. Gerade bei Delikten, die das sichverschaffen oder bereithalten von bestimmten Daten unter Strafe stellen wird damit immer zu prüfen sein, ob letzten Endes der Rechner überhaupt eingezogen werden darf!

Es ist insgesamt ein stetes Problem im IT-Strafrecht, dass eine Einziehung von Hardware beschlossen wird, die schon gar nicht mehr Verhältnismäßig ist – die Gegenwehr wird sich regelmäßig lohnen. Die inzwischen doch beachtliche Rechtsprechung des BGH ist hier häufig immer noch schlicht zu unbekannt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (IT-Fachanwalt & Strafverteidiger)
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Rechtsanwalt Jens Ferner (IT-Fachanwalt & Strafverteidiger)

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht mit einem Faible für Cybercrime, IT-Forensik, Cybersecurity und digitale Beweismittel. Hier bei LinkedIn zu finden!