OLG München: ANOM-Chats nicht verwertbar (und Encrochat auch nicht?)

Das Oberlandesgericht München (1 Ws 525/23) hat sich in einem inhaltlich auffallend kritischen Beschluss zur Verwertbarkeit von ANOM-Chats geäußert – und diese verneint. Damit stellt sich das Münchener OLG gegen die Auffassungen aus Frankfurt, Saarbrücken und Köln (Köln ist bisher nicht veröffentlicht, liegt mir aber vor), wobei diesen OLG sowie dem BGH ins Stammbuch geschrieben wird, die eigene Haltung kritisch zu hinterfragen.

Das Interessante an dem Beschluss ist dabei, dass man gerade nicht zu Encrochat abgrenzt, sondern quasi einleitend festgestellt wird, dass auch bei Encrochat erhebliche Bedenken bestehen, weswegen bei ANOM umso mehr Bedenken im Raum stehen.

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EGMR zu Anforderungen an digitale Beweismittel und Kryptomessenger

Während in Deutschland noch gestritten wird, wie man mit digitalen Beweismitteln umzugehen hat – und vor allem, wie damit umzugehen ist, wenn wie bei Encrochat-Verfahren kein Zugriff auf Rohdaten für die Verteidigung besteht, hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hier längst postiert.

Besonders das Verfahren Yalçınkaya gegen Türkei spielt hierbei eine erhebliche Rolle: Der EGMR betonte in diesem Verfahren die wachsende Bedeutung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren aufgrund der Digitalisierung. Er wies darauf hin, dass solche Beweismittel sich von traditionellen unterscheiden und anfälliger für Manipulationen sind, wodurch Fragen zur Zuverlässigkeit aufkommen. Die Komplexität der Technologie und Verfahren kann die Beurteilung ihrer Echtheit durch Richter erschweren.

Trotz der potenziellen Bedeutung dieser Beweismittel im Kampf gegen organisierte Kriminalität, müssen sie in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien eines fairen Verfahrens verwendet werden. Im konkreten Fall betonte der Gerichtshof, dass der Kläger nicht ausreichend Zugang zu den relevanten Daten (speziell den Rohdaten!) hatte und die nationalen Gerichte nicht angemessen auf seine Bedenken reagierten, was die Fairness des Verfahrens infrage stellte. Insbesondere ist es nicht ausreichend, wenn ein Betroffener auf die Auswerteberichte der Ermittler verwiesen wird! Die Verteidigung muss sich also mit dem EGMR nicht darauf verweisen lassen, sich mit den Ermittlungsergebnissen zufriedenzustellen. Sollte es hier zu mangelnder Verteidigungsmöglichkeit kommen, steht vielmehr mit dem EUGH ein Beweisverwertungsverbot im Raum!

In dem weniger beachteten Verfahren Akgün gegen Türkei hat der EGMR darüber hinaus betont, dass alleine die Benutzung eines Kryptomessenger (hier: Bylock) nicht ausreichend ist, um einen Verdacht und damit einen Haftgrund hinsichtlich krimineller Handlungen anzunehmen. Eine Auffassung, die deutsche Gerichte bisher nicht so verinnerlicht haben.

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ANOM-Messenger: Saarländisches OLG sieht kein Beweisverwertungsverbot

Das OLG Saarland (4 HEs 35/22) sieht – wie das OLG Frankfurt – keine ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Verwertbarkeit der im Rahmen des unter falscher Flagge agierenden ANOM-Messengers angefallenen Daten durch die Ermittlungsbehörden. Es weist ausdrücklich darauf hin, dass die Verwertung von Beweisen, die auf die – durchaus zu hinterfragende – Art und Weise im Ausland erhoben wurden, im Strafverfahren gegen den Beschuldigten vom nationalen Verfahrensrecht gedeckt ist.

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