Der Bundesgerichtshof (3 StR 518/19) konnte klarstellen, dass mitgebrachte Ausdrucke einer ansonsten nur digital vorhandenen E-Mail präsente Beweismittel im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO darstellen. Die Entscheidung ist wegweisend – zeigt aber auch, womit man sich bei Landgerichten immer noch als Verteidiger herumärgern muss.
Ausdrucke einer E-Mail sind präsente Beweismittel im Sinne der StPO weiterlesenSchlagwort: StPO
Besichtigungsrecht der Verteidigung bei zur Durchsicht beschlagnahmter Speichermedien
Das Oberlandesgericht Koblenz (5 Ws 16/21) konnte sich in einer sehr spannenden Entscheidung zum Zugriff der Verteidigung auf digitale Beweismittel (bzw. die vorgehaltenen Speichermedien) äußern. Dabei ist es der Regelfall, dass deutsche Verteidiger hier zuerst vor Wände laufen. Die vorliegende Problematik wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, die aktuelle OLG-Entscheidung wird Präzedenz-Charakter haben.
Besichtigungsrecht der Verteidigung bei zur Durchsicht beschlagnahmter Speichermedien weiterlesenKann die Polizei Whatsapp-Nachrichten lesen?
In Cybercrime-Verfahren hat die digitale Kommunikation erhebliche Bedeutung für Ermittler – und so stellt sich immer wieder die Frage, wie sicher WhatsApp eigentlich ist. Oder ein anderer Messenger, mit dem man kommuniziert hat. Die Frage ist tatsächlich nicht so leicht zu beantworten.
Update: Der Beitrag wurde um aktuelle Erkenntnisse erweitert.
Kann die Polizei Whatsapp-Nachrichten lesen? weiterlesenEncrochat – Einordnung des staatlichen Hackangriffs
Am 21.11.2021 durfte ich im Rahmen des Strafverteidiger-Tages 2021 dazu vortragen, was möglicherweise technisch bei Encrochat aufseiten der französischen Ermittler gelaufen ist, wie man dies juristisch einordnet und warum das IT-Forensisch alles Grütze ist, was da in deutsche Prozesse eingeführt wird. Dazu habe ich erstmals einen Blick auf meine Arbeitsunterlage zu den umfangreichen Ermittlungsinstrumenten deutscher Ermittler gegeben, was ein mitunter erschreckendes Ausmaß offenbart. Die Folien stelle ich nun hier zur Einsicht zur Verfügung.
Mehr zu Encrochat? In unserem Blog finden sich unter dem Schlagwort Encrochat die wichtigsten Entscheidungen, vor allem der Oberlandesgerichte, zum Thema. Mit Rücksicht auf meine Mandanten sehe ich von aktuellen Berichten aus laufenden Verfahren mit Encrochat-Bezug ebenso ab, wie von Berichten über das, was mit Kollegen berichten, die ich (im Hintergrund) IT-forensisch berate.
Encrochat – Einordnung des staatlichen Hackangriffs weiterlesenDigitale Beweismittel
Digitale Beweismittel: Wie geht man mit digitalen Beweismitteln (richtig) um? Diese Frage ist allgegenwärtig und leider kaum Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen: Es gibt nur eine extrem überschaubare Anzahl von Aufsätzen zum Thema, gerichtliche Entscheidungen sind noch seltener. Dabei drängt sich gerade mit der zunehmenden Digitalisierung des Prozesswesens diese Frage auf.
Vor allem eine Frage ist inzwischen ebenso drängend wie vollkommen aus dem Fokus geraten: Was ist ein digitales Beweismittel? In diesem Beitrag gehe ich auf die wesentlichen Problembereiche rund um digitale Beweismittel ein, ich widme dabei einen wesentlichen Teil meines Alltags rund um technische und rechtliche Fragen von IT-Forensik und digitaler Beweismittel.
Digitale Beweismittel weiterlesenDigitale Beweismittel: Auswahl einzelner Beweismittel nach Kriterien
Bei digitalen Beweismitteln ergibt sich relativ schnell ein Problem für Ermittler, etwa wenn nur bestimmte Informationen aus umfangreichen Datenbanken benötigt werden. Die Frage ist dann, ob bei einer Durchsuchung – etwa beim Provider – verlangt werden kann, dass eine Aufarbeitung der Daten erfolgt. Seit einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dies nun geklärt.
Digitale Beweismittel: Auswahl einzelner Beweismittel nach Kriterien weiterlesenOLG Brandenburg zu Encrochat: Kein Beweisverwertungsverbot
Das OLG Brandenburg (2 Ws 102/21, 2 Ws 94/21, 2 Ws 96/21 und 2 Ws 113/21) hat sich in mehreren Entscheidungen zum Thema Encrochat positioniert und damit klar gestellt, dass die Verwertung von durch die französischen Ermittlungsbehörden im Kontext der Überwachung des Dienstleistungsanbieters für sogenannte Krypto-Handys (EncroChat) durch Entschlüsselung von Chat-Nachrichten gewonnenen Daten keinem Verbot unterliegen.
Das OLG teilt ausdrücklich die hierzu in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene und von mir hier im Blog umfangreich geschilderte Auffassung – und folgt ganz ausdrücklich nicht der entgegenstehenden Entscheidung des Landgerichts Berlin, die inzwischen vom KG aufgehoben wurde.
OLG Brandenburg zu Encrochat: Kein Beweisverwertungsverbot weiterlesenZur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren
Beim Amtsgericht Nienburg (4 Ds 155/14) ging es um die Frage der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren. Das Gericht stellte hierbei korrekt fest, dass im Strafverfahren kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen besteht. Vielmehr ist es eine Frage des Einzelfalls, ob eine Dashcam-Aufzeichnung im Strafverfahren verwertet werden darf.
Diese allgemeinen Ausführungen verdienen Zustimmung, wobei gerade im Strafverfahren gilt, dass hier mit dem Bundesgerichtshof eine Abwägung vorzunehmen ist, bei der die Interessen an der Strafverfolgung mit eine Rolle spielen. Es kann also sein, dass in einem Strafverfahren eine Verwertbarkeit vorliegt, die in einem Zivilverfahren zu verneinen ist!
Im vorliegenden Fall ging es um anlassbezogene Aufnahmen. Der Betroffene hatte eine Dashcam im Fahrzeug, die er von Hand einschaltete, wenn ihm etwas auffiel. Eine solche Anlassbezogene Aufnahme stiess dabei nicht auf Bedenken des Gerichts, was auch meiner Einschätzung entspricht. Damit lassen sich aber keine grundsätzlichen Aussagen für die durchgehende Aufnahme durch Dashcams gewinnen.
Dazu bei uns:
- Grundsätzlichen zur rechtlichen Lage bei Dashcams
- Videoüberwachung – Was ist erlaubt
- Rechtsprechungsübersicht zur Videoüberwachung
Zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren weiterlesen
Beschlagnahme von Emails und Zufallsfunde
Eine Entscheidung des Landgerichts Mannheim (24 Qs 2/10) verdient in höchstem Maße Beachtung: Es ging um die Beschlagnahme von Emails eines Beschuldigten beim Provider. Dass eine solche Beschlagnahme grundsätzlich nach den alther gebrachten Regelungen der StPO möglich ist, steht ausser Frage (dazu BGH, 1 StR 76/09 und das BVerfG, 2 BvR 2099/04).
Nun hat sich aber folgendes Ergeben: Es wurde eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung (auch hinsichtlich der E-mails beim Provider) erlassen. Demzufolge waren E-Mails im Zusammenhang mit Straftaten zwischen dem 01.08.2008 und einschliesslich Dezember 2009 zu beschlagnahmen.
Im Zuge dieser Anordnung räumte der Provider der Ermittlungsbehörde einen zeitlich und inhaltlich unbeschränkten „Gastzugang“ zum Account des Beschuldigten ein, das heisst, die Behörde konnte sich einloggen und auf die EMails Zugriff nehmen. Die Chronologie war dabei wie folgt:
- 26.02.2010 : Gerichtsbeschluss
- 03.03.2010: Polizei übermittelt Beschluss an Provider
- 10.03.2010: Provider richtet Gastaccount ein
Durch den Gastaccount dann kamen aber auch EMails zu Tage, die nach dem 08.02.2010 datierten und auf eine vollkommen neue Straftat hinwiesen, die auch vom bisherigen Beschluss nicht umfasst war. Die Staatsanwaltschaft erwirkte danach beim Amtsgericht einen weiteren Beschlagnahmbeschluss auf Grund der aufgetauchten E-Mails.
Gestritten wurde nun darüber, ob das verwertet werden durfte.
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Landestrojaner ohne Rechtsgrundlage im Einsatz?
Sowohl Heise als auch Golem berichten (unter Rückgriff auf den Spiegel), dass im Bundesland Bayern eine Trojaner-Software zum aushorchen von Rechnern Tatverdächtiger („Landestrojaner“) gleich mehrfach zum Einsatz kam. Nun wird in den Raum geworfen, dass es hierfür gar keine Rechtsgrundlage gibt (dazu auch der Beitrag bei Carsten Hoenig). Besonders scharf ist die Formulierung bei ijure:
aus der Rechtswissenschaft zumindest gibt es soweit ersichtlich keine einzige Stimme, die für die Zulässigkeit der Quellen-TKÜ auf der bisherigen rechtlichen Grundlage einträte.
Solche Sätze sind gefährlich, denn es reicht nur eine einzige Stimme, um sie zu widerlegen. Und wenn man dann als Ausnahme auch noch den Standardkommentar zur StPO anführen kann, der auf jedem Richtertisch in Deutschland steht, wird es haarig. So liest man nämlich in der Kommentierung des §100a StPO beim Meyer/Goßner unter Rn.7a folgendes:
Die Internet-Telefonie wird von §100a erfasst […] auch die so genannte Quellen-TKÜ nebst den erforderlichen Begleitmaßnahmen;
Auch sonst muss man nicht lange suchen: Bär ist einer der Verfechter dieser Ansicht (dazu nur Bär, Handbuch zur EDV-Beweissicherung im Strafverfahren, Rn. 321 oder die sehr kritische Besprechung von Bär in der MMR 2008, S.423ff.). Eine Darstellung findet man Online bei Buermeyer/Bäcker in der HRRS (interessanterweise ist einer der Autoren zugleich der Autor der obigen Zeilen).